Verhaltenstherapie

Die Geschichte eines einzigartigen Siegeszuges

Die Verhaltenstherapie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zur wichtigsten und am weitesten verbreiteten Psychotherapieschule in unserer westlichen Welt entwickelt und sich damit einen festen Platz in der offiziellen gesundheitlichen und medizinischen Versorgung unserer Gesellschaft erobert. Die enorme gesellschaftliche Aufwertung der Psychotherapie als unverzichtbarer Bestandteil unserer psychosozialen und medizinischen Versorgung ist in erster Linie den Verdiensten und dem Siegeszug der Verhaltenstherapie zu verdanken, die sich bis heute mehr als jede andere Schule wie Gesprächstherapie, Gestalttherapie oder Psychodrama als Hoffnungsträger und Prototyp der Psychotherapie überhaupt etablieren konnte. Selbst die Psychoanalyse, mit der alles begann, ist weit ins Hintertreffen geraten und gilt als antiquiert, zu kostspielig und vergleichsweise wenig überzeugend in ihrem Erfolg. Das Markenzeichen dieser Psychotherapie, der sogenannten Verhaltenstherapie, sind seit jeher hohe und ehrlich nachgewiesene Erfolgsquoten bei leicht nachvollziehbaren und transparenten Therapieverfahren. Keine andere Therapieschule hat so viele experimentelle Studien und Erfolgskontrollen vorgelegt wie die Verhaltenstherapie.

Dies verdankt die Verhaltenstherapie in erster Linie dem Behaviorismus, dessen Innovationen aus einem neuen wissenschaftlichen und erkenntnistheoretischen Ansatz zum Verständnis der Welt, der Menschen und des Lebens, dem so genannten Funktionalismus, stammen.

Leider wird dieser Funktionalismus, das funktionale Denken, kaum verstanden, vor allem in Deutschland, wo man noch in der Tradition von Wilhelm Wundt (1832-1920) und seinem Strukturalismus zu stehen scheint. Ein Tisch zum Beispiel ist nicht immer nur eine Platte mit vier Beinen, sondern manchmal ein Platz zum Essen, manchmal ein Platz zum Sitzen (dann ist ein Tisch ein Stuhl) oder manchmal etwas, unter dem man bei einem Gewitter Schutz suchen kann. Das hängt von der Funktion ab.

Der Funktionalismus spiegelt sich in den behavioristischen Lerntheorien und in der Verhaltenstherapie in der Lehre von der Wirkung vorangehender Signale (klassische Konditionierung nach Pawlow) und von nachfolgenden Verhaltensfolgen wider, die entweder die Wirkung von Belohnungen oder von Bestrafungen haben (operante oder instrumentelle Konditionierung nach Skinner). Und erzählen Sie niemandem, dass dies nur ein kleiner Unterschied zwischen Strukturalismus und Funktionalismus ist. Es ist ein kleiner Unterschied mit einer großen Wirkung. Und die meisten Beziehungskrisen, Paarkonflikte und Eltern-Kind-Konflikte lassen sich nur lösen, wenn die Betroffenen verstehen, dass nicht nur die Absicht („Ich habe es nur gut gemeint!“) zählt, sondern einzig und allein die Wirkung.